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Neuer Schwung für die Hüfte

Wir brauchen es beim Gehen und Stehen, beim Sitzen oder wenn wir uns die Schuhe anziehen wollen: ein gesundes Hüftgelenk. Der Einsatz eines künstlichen Gelenkes kann sinnvoll sein – wenn Schmerzmittel und Krankengymnastik nicht mehr helfen.

Von Insa van den Berg

Der Ersatz natürlicher Hüft- und Kniegelenke durch künstliche zählt zu den häufigsten Operationen, die in Deutschland durchgeführt werden. Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im Jahr 2015 mehr als 227 000 solcher sogenannten Hüftendoprothesen eingesetzt worden. Hinzu kamen rund 173 000 Kniegelenkprothesen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Warum wird ein künstliches Gelenk eingesetzt?

Ein Patient hat starke Schmerzen und kann sich nicht mehr gut bewegen. In den meisten Fällen hat der Arzt eine Arthrose festgestellt, einen Verschleißprozess. Der kann dadurch begründet sein, dass man ein Gelenk über Gebühr beansprucht hat, weil man Leistungssport getrieben hat oder weil man stark übergewichtig ist. Oftmals ist aber ein altersbedingter Verschleiß des Gelenks ursächlich. Bei einer Arthrose kommt es zu einem Knorpelabrieb: Der Gelenkspalt verengt sich, bis schließlich Knochen auf Knochen reibt und zu den heftigen Schmerzen führt. Die Schmerzen können auch in den Oberschenkel, das Kniegelenk oder die Wirbelsäule ausstrahlen.
In der Regel sind Patienten, die erstmals ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk bekommen, zwischen 60 und 70 Jahren alt. Da die Menschen immer älter werden, rechnet das zur Gesundheit forschende Robert-Koch-Institut mit immer mehr solcher Operationen.

Was sind die Vorteile eines künstlichen Gelenks?

Die Patienten verlieren die starken Schmerzen und gewinnen Beweglichkeit zurück. Studien zeigen: Auch das Risiko für einen Herz- oder Hirninfarkt sinkt, weil die Betroffenen sich mehr bewegen und damit ihr Herz-Kreislauf-System trainieren. „Wer über Schmerzen immobil wird, verfällt zunehmend und stellt den Sinn des Lebens infrage“, sagt Prof. Carsten Perka, Leiter des unfallchirurgisch-orthopädischen Zentrums an der Charité Berlin.

Wie läuft die Operation meistens ab?

Der Hüftgelenksersatz ist zu einer Routine-Operation geworden, dauert in den meisten Fällen rund 1,5 Stunden. Die Patienten können zwischen einer Vollnarkose oder einer Narkoseform wählen, bei der nur die untere Körperhälfte betäubt wird. Bei der sogenannte Spinalanästhesie (nur Unterleib) setzt der Operateur einen etwa sechs bis zwölf Zentimeter langen Hautschnitt.

Welche Probleme können beim Einsatz eines künstlichen Gelenks auftreten?

In bis zu zwei Prozent der Fälle gibt es Komplikationen. Bei mehr als 400 000 Operationen jährlich bedeutet das, dass zwischen 4000 und 8000 Patienten Probleme mit dem künstlichen Gelenk haben. Das häufigste Problem ist eine Infektion, die sich mit Schmerzen, Rötungen, Überhitzung bemerkbar macht. Durch eine Entzündung kann das Gelenk abgestoßen werden, sodass es wieder entfernt werden muss.
Darüber hinaus kann es mechanische Schwierigkeiten mit dem Gelenk und daher Schmerzen geben – weil der künstliche Ersatz zum Beispiel an den Rändern übersteht und damit Seitenbänder reizt. „Gerade bei einem komplexen Gelenk wie dem Knie ist es wichtig, dass der Operateur darauf achtet, dass die Prothese nicht zu weit rechts oder links eingebaut wird“, erklärt Prof. Rüdiger von Eisenhart-Rothe, Orthopäde am Münchner Klinikum rechts der Isar. Es kann auch eine Implantatallergie diagnostiziert werden. Prof. Carsten Perka von der Charité Berlin hält das jedoch für eine „inflationär gebrauchte Ausweichdiagnose“. Zumeist verberge sich dahinter eine Infektion. Mit der Narkose oder der Bildung von Blutgerinnseln während oder nach der Operation gibt es allerdings nur in sehr
seltenen Fällen Probleme.

Gibt es Alternativen zu einem künstlichen Gelenk?

Auch wenn das Röntgenbild eine Arthrose zeigt, muss der Patient nicht zwangsläufig eine neue Hüfte oder ein neues Kniegelenk bekommen – solange die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen ihn nicht zu stark belasten. Viele Patienten warten nach Meinung von Prof. Heiko Reichel jedoch zu lange, bis sie zum Arzt gehen. Der Leiter der Orthopädischen Universitätsklinik Ulm sagt: „Man kann in frühen Stadien mit Physiotherapie, Medikamenten oder chirurgischen Eingriffen erfolgreich gelenkerhaltend arbeiten.“ Wer bis zum bitteren Ende warte, verschlechtere nicht nur die Funktion des betroffenen Gelenkes vor und nach der Operation. Darüber hinaus schade der Patient mit dem bloßen Abwarten auch anderen Gelenken des Körpers. Diese müssten dann ersatzweise die Funktionen erfüllen, die das geschädigte Gelenk nicht mehr wahrnehmen könne.

Ab wann ist der Einsatz eines künstlichen Gelenks unvermeidbar?

Bei einem Oberschenkelhalsbruch wird normalerweise direkt operiert. Gerade bei älteren Patienten wird der Gelenkkopf oder die Gelenkpfanne künstlich ersetzt. Ansonsten gilt der Gelenkersatz nicht als Notfalloperation. Patienten können den Termin planen und sollten damit rechnen, dass sie mindestens sechs Wochen zur Erholung brauchen. Ärzte wie Prof. Rüdiger von Eisenhart-Rothe vom Klinikum rechts der Isar in München raten immer dann zu einer Operation, wenn der Leidensdruck besonders hoch ist. Das kann neben Schmerzen auch bedeuten, dass man ohne Operation von gemeinsamen Unternehmungen mit Freunden ausgeschlossen ist, wie zum Beispiel Wanderungen. „Es liegt dann bei einer Knie-OP zu 50 Prozent am Patienten, wie gut er danach wieder laufen kann.“ Der Betroffene müsse nach dem Eingriff das neue Gelenk trainieren – und zwar mehrmals täglich, mehrere Jahre lang.

Der Patientenbericht: „Ich habe die OP herbeigesehnt“
Schmerzen waren sogar so stark, dass 58-Jährige nicht mehr auftreten konnte

Fast von jetzt auf gleich bekam Beate Bramer im Herbst 2011 so starke Schmerzen, dass sie kaum noch auftreten konnte. Tag und Nacht pocherte es in ihrer Hüfte. Schon früher hatte sie zwar an Stechen in der Leiste gelitten; an anderen Tagen zog es bis ins rechte Bein. Diese Schmerzschübe ertrug die damals 58-Jährige mithilfe von Medikamenten. Als die Schmerzen dann plötzlich unerträglich wurden, gab eine Magnetresonanztomographie, kurz: MRT, Aufschluss. Bei dieser Untersuchung werden Bilder des Körpers erzeugt, anhand derer ein Arzt krankhafte Organveränderungen erkennen kann – nicht nur die Knochen, wie man es vom Röntgen kennt. Bei Beate Bramer zeigten diese Bilder eine sogenannte Hüftkopfnekrose. Dabei stirbt ein Teil des Kopfes des Oberschenkelknochens ab.
Mit Krankengymnastik konnte der Oranienburgerin nicht geholfen werden.
Stattdessen bekam sie ein künstliches Hüftgelenk. „Ich habe den Operationstermin herbeigesehnt.“ Und die möglichen Gefahren? „Dass ich darüber richtig aufgeklärt worden wäre, daran kann ich mich nicht erinnern. Die Risiken wären mir wegen der starken Schmerzen aber auch egal gewesen.“
Die Operation verlief ohne Schwierigkeiten. Am Tag danach konnte Beate Bramer bereits wieder gehen. Nicht schmerzfrei, denn auch der Wundschmerz nach einem solchen Eingriff belastet viele Patienten. „Man muss Geduld haben. Zu Beginn war ich auf Krücken und Hilfe angewiesen.“
Zehn Tagen Krankenhausaufenthalt schloss sich eine dreiwöchige Rehabilitation an. Von Tag zu Tag sei es dann immer besser geworden. Dennoch habe es einige Monate gedauert, bis die Beamtin wieder arbeiten konnte. Sie hat den Schritt aber nicht bereut.

 

Redaktionsnetzwerk Deutschland, 24. März 2017

 


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